Bettina M. Wiesmann MdB

Cannabis-Gesetz: Unverantwortlich!

Gastbeitrag von Bettina M. Wiesmann in FUlminant, das Magazin der FU Hessen, April 2024

Das kurz als „Cannabis-Gesetz“ bezeichnete Gesetz legalisiert Besitz und Konsum von Cannabis. Cannabis gehört damit künftig nicht mehr zu den verbotenen Substanzen nach dem Bundesbetäubungsmittelgesetz, Besitz und Konsum bleiben weitgehend straffrei. Es ist kaum zu ermessen, welch gravierende Fehlentscheidung die Ampel-Koalition wider besseres Wissen mit diesem Gesetz trifft. Die Cannabis-Legalisierung ist nicht nur gesundheitspolitisch fatal, sondern auch im höchsten Maße verantwortungslos.

Eine gesundheitsgefährdende Droge

Cannabis wirkt auf die Nerven und kann die Schmerzempfindlichkeit senken, weshalb es auch zur Schmerztherapie verwendet werden kann. Dies ist seit 2017 gesetzlich zulässig und geschieht entsprechend bereits. Darüber hinaus wirken die Stoffe im Cannabis euphorisierend und schränken zugleich die geistige Leistungsfähigkeit ein.

Wie bei den meisten Suchtmitteln kann ein längerer Konsum von Cannabis gefährliche gesundheitliche Folgen haben. In Kombination mit Tabak – beim Inhalieren von „Joints“ – können nicht nur chronische Bronchitis, sondern auch chronische Atemwegsentzündungen (COPD) oder Lungenkrebs hervorgerufen werden. Regelmäßige Cannabis-Nutzer erleben häufiger Komplikationen und Schmerzen nach Operationen, sie benötigen mehr Schmerzmittel. Bei vulnerablen Personen besteht darüber hinaus ein Zusammenhang mit seelischen Erkrankungen: Depressionen, bipolaren Störungen, Angsterkrankungen und Psychosen, Suizidalität. 

Wenn Jugendliche kiffen, setzen sie sich besonderen Risiken aus. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist die Hirnentwicklung bei Menschen unter 25 Jahren noch nicht abgeschlossen. Wird das Gehirn regelmäßig mit THC geflutet, dem Hauptwirkungsbestandteil von Cannabis, kann dies die Persönlichkeitsentwicklung stören, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit mindern oder Psychosen verursachen.

Suchtmäßiger Konsum künftig legal

Sowohl der Anbau von Cannabis als auch sein Konsum durch Volljährige werden nun zugelassen. Zwar gibt es Höchstgrenzen für Anbau und Besitz sowie Einschränkungen beim Konsum des Rauschgiftes, aber sie lassen den suchtmäßigen Konsum zu, denn die Grenzwerte liegen mit 50g pro Monat beim Bedarf eines hochgradig Abhängigen. Es kann also keine Rede vom gelegentlichen Konsum im Freundeskreis sein; zugleich wird die Überproduktion einen illegalen Markt für Jugendliche oder für bisherige Nichtkonsumenten schaffen. Selbst der nicht strafbare Verkauf von Cannabis in „Coffee-Shops“ in den Niederlanden hat den illegalen Markt und die Abgabe an Jugendliche nicht reduziert, diese sind stattdessen weiter gestiegen. Ohne eine unvoreingenommene wissenschaftliche Auswertung der Erfahrungen in anderen Staaten steht das Gesetz auf ideologischen Füßen.

Letzteres legt auch die Ignoranz der Ampelfraktionen im Gesetzgebungsverfahren nahe: Sämtliche Einwände von Fachverbänden der Ärzteschaft, der Justiz, der Polizei und aus der Pädagogik wurden missachtet. Die Konferenzen der Gesundheits-, der Innen- und der Justizminister der Bundesländer brachten einhellig zahlreiche Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf vor. Eigentlich hätte der Bundesrat das Gesetz deshalb ablehnen müssen. Doch waren zu viele Landesregierungen wegen ihrer Koalitionsverpflichtungen gezwungen, nicht für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen. So wurde die Chance vertan, wenigstens die schlimmsten Regelungen abzumildern. Die Behauptung im Vorfeld, der Ausschuss würde das Gesetz einfach „beerdigen“, war polemisch, denn dieses aus gleich viel Mitgliedern des Bundesrats und des Bundestages bestehende Gremium muss immer einen Kompromiss finden, es kann gar nicht Mehrheiten überstimmen. Ein weiterer Sieg der Ideologie über die sachbezogene Beratung eines Gesetzentwurfs!

Neues Gesetz in der Realität kaum umsetzbar

Weite Teile des Gesetzes können absehbar nur zu enormen Kosten realisiert werden:

  • Die scheinbar strikte Trennung bei Cannabis im Eigenanbau im selben Haus oder derselben Wohnung mit Kindern und Jugendlichen ist wirklichkeitsfremd.
  • Eine wirksame Kontrolle der oft kleinteiligen Auflagen und Regelungen durch Polizei- und Ordnungsbehörden wird faktisch gar nicht oder nur mit immensem Vollzugs- und Überwachungsaufwand möglich sein.
  • Das Gesetz verbietet den Konsum von Cannabis in Sichtweite von Kinderspielplätzen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, wobei als Sichtweite lediglich 100 Meter vom Eingang der Einrichtung definiert wird. Das bedeutet, auf der Rückseite einer Einrichtung gilt diese Entfernung nicht, Konsumenten können dort nicht belangt werden.
  • Die hohen Freimengen wirken wie eine Blankovollmacht für jeden Dealer, zumal sie bereits ab 1. April gelten, wo viele Schutzbestimmungen des Gesetzes noch gar nicht umgesetzt sein können.
  • Die geplante rückwirkende Straffreiheit wird dazu führen, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte eine Vielzahl von Entscheidungen der letzten Jahre im Betäubungsmittelbereich aufheben und zudem Verfahren mit Mehrfachvergehen – etwa Beschaffungskriminalität – auseinanderbauen und neu beurteilen müssen.
  • Viele weitere Fragen wie die Folgen des Cannabiskonsums im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz sind ungeklärt oder wirklichkeitsfremd beantwortet.

Was wirklich zu tun wäre

Es ist richtig, dass der Ist-Zustand beim Umgang mit dem Cannabiskonsum nicht zufriedenstellend ist. Deshalb fordern CDU und CSU eine langfristig angelegte Präventionskampagne, die die Risiken des Konsums gezielter adressiert, gemeinsam mit den Kinder- und Jugendärzten sowie Suchtmedizinern erarbeitet wird und vor allem auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. Ebenso wollen wir, etwa durch verstärkte Forschung, den medizinischen Nutzen von Medizinalcannabis insbesondere im Palliativ-Bereich weiter erhöhen.

Dieses Gesetz ist ein Bürokratiemonster ohne jeglichen Mehrwert, das unter der Flagge eines falschen Freiheitsverständnisses weitreichende gesundheits-, sicherheits- und gesellschaftspolitische Probleme schafft und insbesondere Kinder und Jugendliche zusätzlichen Risiken aussetzt. Noch dazu bringt es immense Gefahren für den Rechtsfrieden in unserem Land. All das stört die Ampel in ihrer Cannabis-Euphorie nicht, zu dringend benötigt sie offenbar einen gemeinsamen Erfolg.